Der Wettergott war den Veranstaltern fast schon traditionell zugeneigt, denn bei blauem Himmel und Sonnenschein trafen sich die Teilnehmer im Parksaal der Arena Erfurt. Nach einem Get-together und der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Thüringer Vereins für Insolvenzrecht und Sanierung e.V., RA Dirk Götze, richtete Christian Klein, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Justiz, Migration und Verbraucherschutz das Grußwort der Thüringer Landesregierung an den 13. Thüringer Tag für Insolvenzrecht und Sanierung.
Als erster Referent informierte Prof. Heinrich Schoppmeyer über ausgewählte Entscheidungen des IX. Zivilsenats zum Insolvenzrecht. Am Anfang stand der Fall einer Insolvenzeröffnung über eine liquidationslos erloschene KG. Der vorletzte Kommanditist war ausgeschieden, das Gesellschaftsvermögen damit auf die Komplementärin angewachsen. Das Insolvenzgericht hatte das Verfahren dennoch über das Vermögen der KG eröffnet. Der BGH bestätigte die Wirksamkeit der Eröffnung als Partikular-Insolvenzverfahren über das angefallene Gesellschaftsvermögen, wobei Insolvenzschuldner nicht die erloschene KG, sondern der letzte Gesellschafter ist. Ein Eröffnungsbeschluss ist vom Gericht nur dann nicht hinzunehmen, wenn ein offenkundig schwerer Fehler vorliegt. Die Entscheidung klärt zudem, dass ein irrtümlich über eine bereits vollbeendete Gesellschaft erlassener Beschluss von Anfang an als Verfahren über das Sondervermögen des letztverbliebenen Gesellschafters wirkt. (IX ZR 234/23)
In mehreren Entscheidungen widmete sich der Zivilsenat den Wirkungen der Insolvenzeröffnung. Prof. Schoppmeyer stellte die Entscheidung zum unberechtigten Einzug von Untermieten nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts dar. Der BGH verneinte einen Herausgabeanspruch des Verwalters gegen den Schuldner, wenn die Leistung des Drittschuldners nicht mehr im Vermögen des Schuldners vorhanden ist. Vor Eröffnung gebe es keine Vermögenstrennung; auch der Zustimmungsvorbehalt bewirke keine dem § 35 InsO vergleichbare Beschränkung. Der Verwalter könne daher nur gegen den Drittschuldner erneut vorgehen, nicht aber gegen den Schuldner selbst (IX ZR 69/24).
In einem weiteren Fall ging es um die Frage des Werklohnanspruchs nach Erfüllungsablehnung. Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren und bestellt den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger nimmt den Rechtsstreit auf. Die Beweisaufnahme ergibt Mängel der Werkleistung, woraufhin der Kläger die weitere Erfüllung ablehnt. Landgericht und Oberlandesgericht hatte die Klage abgewiesen, weil der Werklohnanspruch mangels Abnahme nicht fällig sei. Hinsichtlich des mangelhaften Werkvertrags bestätigte der BGH die Aufspaltung des gegenseitigen Vertrags nach § 103 InsO bereits mit Verfahrenseröffnung. Der Insolvenzverwalter kann die Vergütung für den mangelfreien, objektiv bestimmbaren Leistungsteil auch ohne Abnahme zur Masse ziehen, während der Vergütungsanteil um die Kosten der Mängelbeseitigung zu kürzen ist (IX ZR 70/24).
In einer Reihe von bemerkenswerten Entscheidungen beschäftigte sich der IX. Zivilsenat mit dem weiten Feld der Insolvenzanfechtung. In einem Fall zur Vollstreckungsandrohung entschied der BGH, dass eine im Drei-Monats-Zeitraum erfolgte Zahlung an einen Sozialversicherungsträger inkongruent ist, wenn der Gläubiger zuvor – selbst in freundlichem Tonfall – die unmittelbar mögliche Vollstreckung für den Fall der Nichtzahlung angekündigt hat. Maßgeblich hierfür sei die objektivierte Sicht des Schuldners, nicht die subjektive Einschätzung des Gläubigers (IX ZR 80/24).
In der Sache der Anfechtung von Steuerzahlungen stellte der IX. Zivilsenat fest, dass Leistungen auf Steueranmeldungen oder Steuerbescheide grundsätzlich entgeltlich und damit nicht nach § 134 InsO anfechtbar sind, selbst wenn die Steuer materiell nicht entstanden ist. Eine Ausnahme gilt nur bei offenkundig rechtswidrigen, durch den Schuldner selbst herbeigeführten Steuerfestsetzungen. Dann können Zahlungen als unentgeltlich gelten (IX ZR 32/24).
Im Fall einer Darlehenstilgung durch Ehegatten erklärte Prof. Schoppmeyer die Entscheidung des Senats, dass Zahlungen eines Ehegatten auf gemeinsame Immobiliendarlehen eine anfechtbare unentgeltliche Leistung an den anderen Ehegatten enthalten, soweit dieser durch die Tilgung lastenfreies Eigentum erlangt. Unterhaltsrechtlich geschuldete Zinsen gelten als entgeltlich, Tilgungsleistungen hingegen nicht. Haushaltsführung oder Kinderbetreuung stellen dabei keine Gegenleistung dar (IX ZR 108/24).
Der IX. Zivilsenat stellte in einer weiteren Entscheidung zur Gesellschaftersicherheit klar, dass die Verwertung eines Leasingfahrzeugs nach Eröffnung nicht den Regeln über Doppelsicherheiten unterfällt. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt nur vor, wenn tatsächlich Vermögenswerte der Masse verkürzt werden (IX ZR 203/23).
Wann welche Instrumente optimal wirken
Nach einer kurzen Pause sprach Marlies Raschke, Rechtsanwältin, Partnerin bei NOERR Partnerschaftsgesellschaft mbB, Dresden, im Plenum über „Das richtige Werkzeug aus dem Baukasten (IDW S6 / StaRUG / Insolvenzplan)“
Parallel dazu lud Prof. Ulrich Keller, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin zu einem Workshop für Richter, Rechtspfleger und Insolvenzsachbearbeiter zu aktuellen Themen des Insolvenzrechts in den Kleinen Saal ein.
In ihrem Beitrag ordnete Marlies Raschke die gängigen Sanierungsinstrumente IDW-S6-Gutachten, StaRUG-Verfahren und Insolvenzplan in einen praxisorientierten Vergleich ein. Schwerpunkt bildete die Frage, unter welchen Bedingungen welches Instrument seine optimale Wirkung entfaltet – und welche Grenzen die jeweiligen Verfahren aufweisen.
Das IDW-S6-Gutachten ist naturgemäß im frühen Stadium der Unternehmenskrise verortet – typischerweise bei Covenant-Brüchen, Fälligstellung von Darlehen oder der Anbahnung von Waiver- bzw. Stillhaltevereinbarungen. Für Finanzierer dient es als haftungs- und anfechtungsrechtliche Absicherung und erfüllt zugleich regulatorische Anforderungen. Als „Sicherheitsnachweis“ im M&A-Prozess ist es hingegen kaum durchsetzbar, da für Kaufinteressenten ein umfassendes Sanierungsgutachten meist zu teuer und im Timing ungeeignet ist. Zudem droht unter Umständen eine Mitverantwortung für Insolvenzverschleppung. Die Vorteile sah Marlies Raschke in der hohen Marktakzeptanz, der strukturierten Analyse und der Standardisierung. Nachteilig wirken sich aus, dass das Gutachten keine Rechtswirkungen gegenüber dem Widerstand einzelner Stakeholder entfaltet, es keine Eingriffsrechte bietet und vom Charakter her ein vollständig konsensuales Instrument darstellt.
RAin Raschke betonte im Weiteren die spezifische Stärke des StaRUG, nämlich die gezielte Einbeziehung bestimmter Gläubiger- oder Gesellschaftergruppen. Es ist bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit einsetzbar und ermöglicht eine diskrete Sanierung mit einer vergleichsweise kurzen Laufzeit von 2 bis 4 Monaten. Marlies Raschke stellte unter anderem die Überwindung von Hold-out-Positionen einzelner Gläubiger oder Gruppen, die Umsetzung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen (Gesellschafterstreit, Kapitalschnitt, Investoreneinstieg) und Sanierungen, die auf bestimmte Stakeholder beschränkt sind und nicht den Gesamtgläubigerkreis betreffen, als beispielhafte Anwendungsgebiete dar. Die Gründe hierfür sind im Wesentlichen die frühe Anwendbarkeit im Sanierungsprozess, eine hohe Flexibilität, die nichtöffentliche Durchführung und nicht zuletzt reduzierte Reputationsschäden.
Nachteilig wirkt sich dagegen aus, dass bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung kein StaRUG-Verfahren mehr infrage kommt, dass keine operativen Eingriffsrechte bestehen, insbesondere keine Vertragsauflösung, keine arbeitsrechtlichen Instrumente, keine Lohnersatzleistungen. Problematisch ist nach Auffassung der Referentin ebenfalls, dass eine Durchfinanzierung für mindestens 24 Monate erforderlich ist und das Verfahren eine nur eingeschränkte Wirkung gegenüber Arbeitnehmern entfaltet.
Schließlich stellte die Referentin dar, dass aus ihrer Sicht der Insolvenzplan das wirkungsvollste und mächtigste Instrument für operative und finanzielle Restrukturierungen ist – allerdings zum Preis der Öffentlichkeit und des formalisierten Verfahrens. Er eignet sich insbesondere bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung oder in Fällen, in denen tiefgreifende Strukturmaßnahmen erforderlich sind.
Vor diesem Hintergrund ist der Insolvenzplan das optimale Mittel der Wahl bei operativen Sanierungen (Vertragskündigungen nach § 103 InsO, Personalmaßnahmen), umfassenden finanziellen Restrukturierungen, in Situationen, in denen zwingend der gesamte Stakeholder-Kreis einbezogen werden muss sowie in solchen, bei denen Insolvenzgeld oder Massedarlehen zwingend benötigt werden. Hier kann der Insolvenzplan seine Vorzüge ausspielen, da er ein vollständiges Set an Eingriffsrechten bietet, sämtliche Gläubiger und Arbeitnehmer einbezieht und klare insolvenzrechtliche Privilegien bei Finanzierungen bietet.
Problematisch können je nach konkretem Fall die zwingende Öffentlichkeit (außer im Schutzschirmvorfeld), die in der Regel längere Verfahrensdauer, meist höhere Transaktions- und Verfahrenskosten sowie potenziell höhere Reputationsrisiken sein.
Frau Raschke stellte die drei Instrumente somit als sich ergänzende Bausteine dar: Das IDW S6 fungiert als Vorfeld-Analyse und konsensuale Grundlage; das StaRUG als selektives, schnelles und nichtöffentliches Restrukturierungsinstrument und der Insolvenzplan als umfassende Lösung für operative wie finanzielle Sanierungen in der Insolvenz. Die optimale Verfahrenswahl hängt im Einzelfall maßgeblich vom Krisenstadium, der Finanzierungsstruktur, den beteiligten Stakeholdern und dem erforderlichen Eingriffsgrad ab.
Die Staatsanwaltschaft im Insolvenzverfahren
Im Anschluss erläuterte Dr. Jens Heinrich, Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Leipzig, die typischen Anlässe und Abläufe staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Umfeld einer wirtschaftlichen Krise. Ausgangspunkt bilden regelmäßig Mitteilungen des Insolvenz- oder Vollstreckungsgerichts, insbesondere bei Abweisungen mangels Masse (§ 152 Abs. 2 StPO) oder Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO). Letztere begründen nach seiner Darstellung bereits einen Anfangsverdacht wegen Insolvenzverschleppung und führen zur unmittelbaren Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Ergänzend gehen Strafanzeigen von Verwaltern oder Dritten sowie behördliche Hinweise ein. Die Staatsanwaltschaft wertet daraufhin Gutachten aus Insolvenzeröffnungsverfahren und Registerdaten aus und führt Standardermittlungen bei Banken, Finanzbehörden, Sozialversicherungsträgern und Gläubigern durch.
Einen Schwerpunkt legte Dr. Heinrich auf die Auskunftspflichten des Schuldners nach § 97 Abs. 1 InsO. Die Pflicht umfasst umfassende Angaben zu allen verfahrensrelevanten Tatsachen, auch wenn diese strafrechtlich relevant sein können; zugleich enthält Satz 3 ein strenges Verwendungsverbot („fruit of the poisonous tree“). Umstritten sei etwa, ob Angaben gegenüber dem Gutachter im Insolvenzeröffnungsverfahren erfasst sind. Falsche oder unvollständige Angaben sowie die Auswertung vorhandener Unterlagen dürfen hingegen verwendet werden. Anhand des Beschlusses des LG Göttingen vom 26.02.2025 (5 Qs 1/25) stellte Dr. Heinrich die Differenzierung zwischen Bankrotthandlungen vor und nach einer Auskunftserteilung dar und betonte, dass § 97 InsO den redlichen Schuldner schützt, nicht jedoch die Begehung neuer Straftaten erleichtern soll. Er plädierte in diesem Zusammenhang für deutlichere gerichtliche Hinweise zu Umfang und Durchsetzbarkeit der Auskunftspflicht (§ 97 Abs. 1 S. 1–3 InsO).
Ausführlich behandelte der Staatsanwalt die Akteneinsicht des Insolvenzverwalters. Nach herrschender Meinung ist der Verwalter kein „Verletzter“ im Sinne von § 406e StPO; ein Anspruch ergibt sich jedoch regelmäßig aus § 475 Abs. 1 S. 1 StPO aufgrund des berechtigten Interesses an der Prüfung insolvenzrechtlicher Ansprüche. Einschränkungen betreffen höchstpersönliche Daten, das Steuergeheimnis (§ 30 AO) und den Schutz der informationellen Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG). Auch vorläufige Verwalter und Gutachter können Akteneinsicht erhalten. Der von Sozialversicherungsträgern gelegentlich bemühte Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 IFG sei nicht anwendbar, da Staatsanwaltschaften keine Bundesbehörden im Sinne des IFG seien und die Interessen der Sozialversicherung durch mögliche Insolvenzanfechtungen nicht berührt würden.
Abschließend gab Dr. Heinrich einen kompakten Überblick über wesentliche Insolvenzstraftaten. Bei § 266a StGB stehe nicht die Nichtzahlung des Nettolohns im Fokus, sondern allein das Vorenthalten von Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung; jede verspätete Abführung stelle eine vollendete Tat dar. Der Bankrotttatbestand (§ 283 StGB) erfasse insbesondere das Beiseiteschaffen oder Verheimlichen von Vermögenswerten sowie informationsbezogene Pflichtverstöße wie das Nichtführen oder Vernichten von Handelsbüchern oder die verspätete Bilanzaufstellung.
Der Vortrag zeigte insgesamt, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen für Insolvenzverwalter wertvolle Informationsquellen sein können. Ihre Nutzung setzt jedoch genaue Kenntnis der strafprozessualen Grenzen und der insolvenzrechtlichen Auskunftsregeln voraus.
Nachdem sich die Teilnehmer am gewohnt delikaten Mittagsbüfett gestärkt und dabei die Gelegenheit genutzt hatten, sich in kleiner Runde auszutauschen, stellte Prof. Dr. Volker Römermann, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie für Arbeitsrecht, Römermann Insolvenzverwalter Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover, seinen Beitrag unter die Überschrift „Enteignung durch Sanierungsverfahren?“ Die durchaus provokante Frage zielte auf die möglichen Gefahren eines Missbrauchs der rechtlichen Ausgestaltung der Sanierung durch Gesetz und aktuelle Rechtsprechung.
Missbräuchliche Verwendung von Sanierungsinstrumenten
Prof. Römermann widmete seinen Vortrag der zentralen Frage, ob moderne Sanierungsinstrumente faktisch zu enteignungsgleichen Eingriffen in Gesellschafter- und Aktionärsrechte führen können. Anhand der Fälle Suhrkamp und VARTA zeigte er, wie Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren genutzt werden können, um gesellschaftsrechtliche Blockaden zu umgehen – allerdings mit weitreichenden Folgen für Minderheitsbeteiligte.
Im Suhrkamp-Fall schilderte Prof. Römermann zunächst die langjährige Gesellschafter-Auseinandersetzung zwischen der Unseld-Familienstiftung und der Medienholding um Hans Barlach. Nach eskaliertem Machtkampf und fehlender Ausschüttungsfähigkeit löste der Verlag 2013 ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung aus, das in einen Insolvenzplan mit Umwandlung der KGaA in eine AG mündete.
Barlach wertete den Verlust seiner mitbestimmungsrechtlichen Position als „kalte Enteignung“. Die Gerichte ließen den Eingriff jedoch zu: Minderheitenschutzanträge fehlten, Beschwerdewege waren formal versperrt (§§ 251, 253 InsO), und das angerufene Bundesverfassungsgericht stellte letztlich das überragende Sanierungsinteresse über die Rechtsposition des Gesellschafters. Prof. Römermann betonte, dass das Verfahren – obgleich strategisch eingesetzt – formell rechtmäßig war und aufzeigt, wie Insolvenzrecht gesellschaftsrechtliche Machtfragen überlagern kann.
Der VARTA-Fall diente als aktuelles Pendant im StaRUG-Kontext. Nach einem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch und Überschuldung sah der Restrukturierungsplan eine Kapitalherabsetzung auf Null, den Ausschluss der Altaktionäre aus der Rekapitalisierung sowie ein Delisting vor. Minderheitsaktionäre rügten eine entschädigungslose Enteignung und erhoben Verfassungsbeschwerde. Die Fachgerichte verwarfen Planversagungsanträge und Beschwerden mangels Glaubhaftmachung einer wesentlichen Schlechterstellung (§§ 64, 66 StaRUG). Das BVerfG wies die Beschwerden als unzulässig ab: Die Eingriffe seien nicht hinreichend substantiiert, Alternativszenarien nicht belegt. Römermann wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung faktisch einer Rechtsschutzlücke für Kleinanleger gleichkommen.
Im dritten Themenblock stellte er die insolvenzrechtlichen Instrumente mit enteignendem Charakter heraus: Insolvenzplan, Debt-Equity-Swap, übertragende Sanierung, Schutzschirmverfahren sowie gesellschaftsrechtliche Eingriffe nach § 225a InsO und § 7 StaRUG. All diese Instrumente können – bei mehrheitlich getragener Sanierungsentscheidung – Eigentumspositionen drastisch verschieben und Altgesellschafter aus dem Unternehmen drängen.
In seiner abschließenden rechtlichen Einordnung stellte Prof. Römermann die These auf, dass Sanierungserfolg und Gläubigerschutz in der Praxis oft Vorrang gegenüber gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechten hätten. Missbrauchsgefahren seien real, wenngleich gerichtliche Kontrolle und Verhältnismäßigkeits-Schranken bestehen müssten.
Man müsse darüber hinaus konstatieren, dass die genannten Instrumente oft das einzige Mittel sind, Unternehmen aus der Krise zu retten. Es gehe dabei grundsätzlich um den Schutz der Gläubigerinteressen, die dafür allerdings gerecht und transparent behandelt werden müssten. Insbesondere müssten sich die angewendeten Sanierungsinstrumente daran messen lassen, ob sie tatsächlich effektiv und auch verhältnismäßig sind. Es sei daher immer eine Abwägung zu treffen und mögliche Alternativen zu prüfen.
Nicht zuletzt deshalb sei es eine Tatsache, dass Großaktionäre und Inverstoren dem Unternehmen in der Krise mehr Chancen bieten.
Hat das Insolvenzrecht in der Praxis also tatsächlich den Vorzug? Grundsätzlich, so der Prof. Römermann, muss in einem Rechtsstaat jedes Rechtsgebiet gleichrangig sein, Rechtssicherheit und Gleichbehandlung müssen gewährleistet werden. Dies sei nicht immer möglich, das bestehende System biete nur begrenzte Schutzmechanismen, und die Verlierer seien häufig Minderheitsaktionäre. Dies sollten jedoch Ausnahmefälle bleiben.
In seinem darauffolgenden, praxisorientierten Beitrag widmete sich Rechtsanwalt Mario Sänger, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Brinkmann & Partner, Leipzig, der Leitfrage, wann ein Insolvenzverfahren als erfolgreich gelten kann – und woran es scheitert. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der gesetzliche Insolvenzzweck des § 1 InsO: die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung, die werterhaltende Verwertung oder Sanierung und – bei natürlichen Personen – die Restschuldbefreiung. Erfolg sei damit kein eindimensionaler Begriff, sondern das Ergebnis eines komplexen Interessenausgleichs.
Von Erfolg und Misserfolg eines Insolvenzverfahrens
Sänger stellte heraus, dass sämtliche Verfahrensbeteiligten mit eigenen, teils konträren Erwartungen in ein Verfahren gehen. Schuldner hoffen auf Entschuldung und Fortführung, fürchten aber den Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz. Gläubiger und Banken erwarten eine möglichst hohe Quote und die Durchsetzung von Sicherheiten, stehen jedoch dem Risiko von Ausfällen, Anfechtungen oder Kontrollverlust gegenüber. Mitarbeiter und Kunden wiederum sehen Arbeitsplatzsicherung, Kontinuität und Leistungsfähigkeit als zentrale Erfolgsparameter; Behörden und Öffentlichkeit knüpfen an regionale Stabilität, Erhalt von Schlüsselindustrien und fiskalische Auswirkungen an. Erwerber, Konkurrenten, Vermieter und Lieferanten haben jeweils eigene wirtschaftliche Zielsetzungen und Befürchtungen. Auch Gericht und Verwalter sind – trotz Neutralitätsgebots – nicht frei von Erwartungsdruck im Hinblick auf Verfahrensruhe, Sanierungserfolg oder reputative Aspekte.
Vor diesem Hintergrund erläuterte Sänger, wie die Insolvenzordnung einen strukturierten Ausgleich dieser divergierenden Interessen ermöglicht. Maßgeblich sei ihr eng verzahntes Regelwerk: von Antragspflichten und Haftungsregeln (§§ 15a, 15b), über Aus- und Absonderungsrechte (§§ 47 ff.), Vertrags- und Arbeitsrecht (§§ 103 ff., §§ 113, 120 ff.), Anfechtungsrecht (§§ 129 ff.) bis hin zu Planverfahren (§§ 217 ff.) und Eigenverwaltung (§§ 270 ff.). Die Rollenverteilung sei klar: Der Verwalter habe als unabhängige Instanz (§ 56 InsO) ausschließlich den Insolvenzzweck umzusetzen und müsse dabei widerstreitende Interessen sachgerecht austarieren. Auch alle übrigen Beteiligten seien an die Verfahrensregeln gebunden und müssten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Erfüllung eigener Erwartungen häufig die Enttäuschung anderer nach sich zieht.
Ein Insolvenzverfahren sei nach Sängers These dann erfolgreich, wenn es dem Verwalter gelingt, unter strikter Beachtung des gesetzlichen Rahmens, mittels transparenter Kommunikation und unter Berücksichtigung aller Beteiligten ein Ergebnis zu erzielen, das dem Insolvenzzweck bestmöglich dient, die Mehrheit der Erwartungen erfüllt und Befürchtungen weitgehend minimiert. Scheitern liege dagegen vor, wenn die überwiegende Zahl der Beteiligten ihre Erwartungen als enttäuscht und ihre Befürchtungen als eingetreten bewertet.
Als Fazit formulierte Rechtsanwalt Sänger: Erfolg ist ein kollektives Produkt. Dank gebühre folglich allen Verfahrensbeteiligten, die – durch regelkonformes Handeln, Rücksichtnahme und gegebenenfalls Zurückstellen eigener Interessen – konstruktiv zur Zielerreichung beitragen.
Nach einer kurzen Kaffeepause begann die Podiumsdiskussion zu aktuellen Themen des Insolvenzrechts, u.a. zur Frage, ob das deutsche Insolvenzrecht (noch) geeignete Instrumentarien zur Sanierung krisenbefallener Unternehmensträger bietet und welche Wirksamkeit und Missbrauchsfestigkeit das Insolvenzrecht hat. RA Marcello di Stefano, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, DiLigens Partnerschaftsgesellschaft mbB, Erfurt, moderierte eine angeregte Diskussion mit Dr. Carmen Scholze, Richterin am Amtsgericht Erfurt, Birgit Feuring, Richterin am Amtsgericht Chemnitz und Erwin Gerster, Richter am Amtsgericht Dresden.
Unter anderem wurde diskutiert, wie erfolgreich Sanierungsverfahren aus Sicht des Insolvenzgerichts in der Praxis sind. Hierzu führte Erwin Gerster aus, dass die bestehenden Instrumente durchaus wirksam seien – sofern die jeweiligen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Er wies darauf hin, dass das StaRUG Resultat der Umsetzung einer Europäischen Richtlinie zum Zweck der vorinsolvenzlichen Sanierung des Unternehmens ist, bei der nach seiner Auffassung allerdings die Rolle der Gläubiger – wie jüngste Praxisfälle anschaulich gezeigt haben – durchaus zum Problem werden kann. Da das StaRUG, so formulierte es Erwin Gerster, einen vergleichsweise minimal-invasiven Eingriff darstellt, ist im Unterschied zum Insolvenzplan laut § 2 Abs. 4 StaRUG die Einbeziehung aller Gläubiger nicht erforderlich, was naturgemäß Konflikte provoziere.
Zudem finden sich nach seiner Einschätzung weitere Baustellen und – daraus abgeleitet – möglicher Nachbesserungsbedarf. Dazu gehört die Frage des Zustimmungserfordernisses der Gesellschafter zur Restrukturierungsanzeige ebenso wie das ungelöste Problem der sogenannten vorsätzlich unerlaubten Handlungen. Ein Restrukturierungsverfahren ist nur möglich bei Restrukturierungsforderungen, Forderungen aus unerlaubten Handlungen gehören jedoch nicht dazu. Bei Auftreten eines einzigen Gläubigers mit derartigen Forderungen bricht das Gericht das Verfahren folglich ab. Auch hier ist nach Auffassung des Richters der Gesetzgeber gefragt.
Der 13. Thüringer Tag für Insolvenzrecht und Sanierung wurde schließlich durch den Vortrag von Thomas Müller, MLP Finanzberatung SE, Fachreferent für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, zum Thema „Dreizack der Risiken: Wo Unternehmer haften und die Masse profitiert“ abgerundet und beschlossen. Dabei beleuchtete der Versicherungsexperte ausführlich u. a. die Pflichten und Haftung des Geschäftsführers, das Thema Geschäftsführer und D&O-Versicherung, die Haftungsrisiken aus Versicherungen im Verfahren sowie die Eigenhaftung des Insolvenzverwalters.
Zum Abschluss dankte RA Dirk Götze allen Teilnehmern, Referenten und Partnern, die den Tag zu einem vollen Erfolg gemacht haben und kündigte bereits die nächste Ausgabe der Veranstaltungsreihe, den
14. Thüringer Tag für Insolvenzrecht und Sanierung, am 28. Oktober 2026 an.