X ∨ ¬X ist im Kontext einer zweiwertigen Logik immer eine wahre Aussage. Doch es soll nicht um logische Schlüsse gehen, sondern um die Frage, ob X, früher Twitter, noch eine Plattform für seriösen Diskurs ist oder nicht, ob ein Wechseln sinnvoll ist und wenn ja, wohin.
Twitter war einmal das Echtzeit-Feuilleton des Internets – ein Ort, an dem Journalisten, Wissenschaftler, Politiker und Jedermann Informationen teilten, diskutierten und einordneten. Die Plattform galt als unverzichtbares Werkzeug für die Nachrichtenbranche, insbesondere bei der schnellen Verbreitung und Einordnung von aktuellen Ereignissen. Doch inzwischen steht das Netzwerk, das heute unter dem Namen „X“ firmiert, exemplarisch für den Verfall öffentlicher Kommunikationskultur.
Elon Musk begann 2022 eine tiefgreifende Transformation. Die Moderationsrichtlinien wurden drastisch gelockert, Inhalte mit Hassrede, Rassismus oder gezielter Desinformation bleiben seitdem mit Verweis auf die Meinungsfreiheit weitgehend folgenlos.
Die Verifikation – einst ein Gütesiegel von Twitter – lässt sich nun kaufen. Auch der früher institutionalisierte Faktencheck wurde nahezu eingestellt.
Hinzu kommen weiche, aber nicht minder bedeutsame Faktoren: Musks politische Positionierungen – etwa seine Nähe zu ultrarechten Strömungen oder die Verbreitung verschwörungsideologischer Inhalte – beeinflussen auch die Wahrnehmung der Plattform. Die Folge: Ein wachsender Teil der User – darunter viele aus dem professionellen und journalistischen Umfeld – zieht sich von X zurück und orientiert sich neu.
Eine Alternative ist Bluesky, ein dezentral aufgebauter Kurznachrichtendienst, der ursprünglich als Nebenprojekt von Twitter selbst entstand und von Jack Dorsey gegründet wurde. Das einstige Twitter-Mastermind setzte mit Bluesky bereits vor der Übernahme von Twitter durch Musk auf transparente Protokolle, Community-basierte Moderation und algorithmische Offenheit. Dorsey hat den Vorstand des Unternehmens allerdings nach Meinungsverschiedenheiten über den künftigen Kurs vor Kurzem verlassen.
Anfangs konnte ein Bluesky-Account nur mit einer Einladung angelegt werden; die künstliche Verknappung sorgte für großes Interesse. Seit Februar kann man sich nun einfach registrieren. Die Inhalte wirken weniger polarisiert, die Diskussionskultur respektvoller. Nicht zufällig sind renommierte Medienhäuser wie New York Times oder Washington Post mittlerweile auf Bluesky vertreten.
Kurznachrichtendienste sind weiterhin gefragt, aber die Nutzer verteilen sich zunehmend auf verschiedene Plattformen – vor allem auf dezentrale und offenere Alternativen wie Mastodon und Bluesky. Die Zeit der klassischen, zentralisierten Dienste ist nicht vorbei, aber der Trend geht klar zu mehr Vielfalt und Kontrolle für die Nutzer.
Ich habe mich entschieden: ¬X —> Bluesky: Steffen Körner