Wer zahlt die Renten der Boomer?

Wir befinden uns gerade mitten im berühmten Sommerloch – Synonym für eine Zeit, in der es nichts Wichtiges zu berichten gibt. Das wiederum hat signifikant häufig zur Folge, dass mit unangemessenen hoher medialer Aufmerksamkeit über Unwichtiges berichtet wird, das sich beim näheren Hinsehen meist als heiße Luft erweist.

Es kann also nicht verwundern, dass das DIW die nachrichtenarme Zeit nutzt, um der staunenden Öffentlichkeit eine weitere Kernkompetenz des In­stituts zu präsentieren, nämlich die, auszurechen, wie sich Einkommen umverteilen lässt: Das DIW hat ermittelt, dass man zwei Fünfteln der Rentner höhere Alterseinkünfte verschaffen könnte, indem man den oberen drei Fünfteln die Alterseinkünfte durch einen zehnprozentigen Soli kürzt.

Wer den einen etwas wegnimmt, kann es anderen geben. So weit, so einfach. Jenseits davon klären die Urheber des „Babyboomer-Solis“ leider fast nichts. Das dürfte kein Zufall sein.

Das Thema scheint überhaupt eher für Öko­no­metriker interessant zu sein. Denn mittels Mikro­si­mu­lation leitet das DIW auf die Nachkommastelle genau her, welche prozentualen Ein­kom­mens­ver­än­de­run­gen sein „Boomer-Soli“ bewirken könnte. Für die Rentenpolitik bringt das Konzept allerdings schon deshalb wenig, weil es keine Antworten auf zentralen Fragen der Rentenpolitik parat hat. Als Verhinderungswerkzeug ge­gen echte Reformen dürfte es aber allemal seinen Zweck erfüllen: Bevor es allen ans Portemonnaie geht, soll sich der Staat doch zuerst an den Vorsorgekonten der „Reichen“ schadlos halten!

Das DIW führt weiter aus, dass der vereinnahmte Soli in ein von der Bundesregierung neu einzurichtendes Sondervermögen zur „Umverteilung der Alterseinkünfte“ fließen soll. Allerdings bleibet ebenso offen, an wen und nach welchen Regeln das Geld dann verteilt werden soll. Sieht der Plan etwa vor, dass Bezieher kleiner gesetzlicher Renten selbst dann in den Genuss der Soli-Milliarden kommen, wenn sie vermögende Partner, Pensionen oder Eigenheime haben? Soll die neue Umlagerente mit der privaten Vorsorge letztlich zur Einheitsrente verschmelzen, indem die Regierung die Zuteilung aller Ansprüche mittels Soli und Sondervermögen politisch steuert? An einer Stelle seines Konzeptes erwägt das DIW, die Beitragszahler mit dem Soli zu entlasten. Dann allerdings würde er den Rentnern überhaupt nicht zugute kommen.

Die spannendste Frage dürfte jedoch sein, in welchem Verhältnis der DIW-Vorschlag und das Rentenpaket der Bundesregierung zueinander stehen sollen. Letzteres sieht bekanntlich vor, jüngere Beitragszahler bis 2040 um 200 Milliarden Euro zu belasten. Soll der DIW-Soli diese Belastung kompensieren oder ist er „on top“ zu verstehen? Angeblich ist sein Vorzug ja der, die Babyboomer-Rentner selbst für einen Ausgleich der Demographie-Lasten sorgen zu las­sen, die Jüngeren also zu schonen. Sollte aber „On top“ eine Option sein, wird das „Konzept“ endgültig unglaubwürdig.

Doch das alles ficht DIW-Boss Marcel Fratzscher nicht an. Er lässt kaum eine Gelegenheit aus, seine Vorstellungen von Gerechtigkeit, die im Kern regelmäßig auf Umverteilung basieren, wirtschaftswissenschaftlich maskiert in die gesellschaftliche Diskussion einzubringen. 

So ist vielen noch in Erinnerung, dass Fratzscher im Februar 2024 die Bezahlkarte für Asylbewerber kritisierte, da – wie er meinte – „die IT-Programmiererin aus Indien oder der Ingenieur aus Brasilien nicht mehr nach Deutschland kommen werden.“ Allerdings kommen qualifizierte Fachkräfte nicht als Asylbewerber nach Deutschland, weshalb sie mit der Bezahlkarte überhaupt nichts zu tun haben. 

Erst kürzlich hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Kampagne für ein sanktionsfreies Bürgergeld begleitet. 

Und da Fratzscher das große Ganze im Blick hat und die Ökonomie ihm dabei offenbar zu eng wird, verkündet er gerne medienwirksam und mit pseudo-ökonomischem Duktus sozialpolitische Positionen, die auffällig häufig auf SPD-Linie liegen.

Der Wirtschaftsjournalist Rainer Hank unterstellte Marcel Fratzscher bereits im Sommer 2017, dass er sich zu einem „lautstarken Claqueur der Sozialdemokraten gemausert“ habe, und kritisierte im Weiteren die überdurchschnittlich hohe mediale Präsenz von Fratzscher. Man darf gespannt sein, ob und und in welchem Maße er seine mediale Reichweite auch nach dem Ende dieses Sommerlochs für die Lobpreisung seines „Boomer-Solis“ einsetzen wird. Das Label „Rohrkrepierer“ wird jedoch auch das nicht verhindern können.

linkLesen Sie den Vorschlag des DIW

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