Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat Unternehmern in einem weitreichenden Streit um die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen größtenteils recht gegeben. In fünf von sechs Musterverfahren entschieden die Richter in Mannheim am Dienstag zugunsten der Kläger, die damit Millionen-Rückforderungen der L-Bank nicht nachkommen müssen.
Die Entscheidung betrifft weit mehr als nur die sechs verhandelten Fälle: Laut L-Bank sind derzeit rund 1.400 Klagen von Unternehmern gegen Rückforderungen anhängig, zudem ruhen weitere 5.500 Widerspruchsverfahren. Das Urteil könnte damit weitreichende Folgen für Hunderte von Unternehmen haben.
Frisör jubelt über Teilsieg
Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Fall des Friseurs Holger Schier aus Heidenheim an der Brenz, der 10.424 Euro Corona-Hilfen nicht zurückzahlen muss. “Wir haben gefeiert im Salon”, berichtete der 56-Jährige. “Alle haben gejubelt und geklatscht”. Schier hatte während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 eine Soforthilfe von 15.000 Euro erhalten, da sein Salon mit 16 Mitarbeitern sechs Wochen schließen musste und einen Umsatzeinbruch von 60.000 Euro verzeichnete.
Das Gericht wies die Berufungen der L-Bank gegen vier Urteile verschiedener Verwaltungsgerichte zurück. Zusätzlich war die Berufung eines Winzers aus Freiburg gegen eine Entscheidung der ersten Instanz erfolgreich. Lediglich ein Fahrschulbetreiber aus Karlsruhe unterlag – er muss seine Corona-Soforthilfe zurückzahlen.
Milliardenschwerer Hintergrund
Der Rechtsstreit hat eine beachtliche finanzielle Dimension. Baden-Württemberg zahlte während der Pandemie rund 245.000 Corona-Soforthilfen in Höhe von insgesamt 2,3 Milliarden Euro aus. Die L-Bank forderte anschließend in etwa 117.000 Fällen insgesamt 862 Millionen Euro zurück.
Kern des Streits ist die Frage, ob die ursprünglich als “Zuschuss” beworbenen Hilfen tatsächlich rückzahlbar sind. Das Gericht entschied, dass bei Anträgen vor dem 8. April 2020 in den Bescheiden nicht ausreichend erkennbar war, dass nachträglich eine saldierende Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben über drei Monate erfolgen würde. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig – die vollständigen Begründungen werden erst im November erwartet.