Geldwäsche-Paradies Deutschland

Systematische Schwächen machen Deutschland zum bevorzugten Zielort für internationale Geldwäsche. Täglich fließen Milliarden Euro aus kriminellen Quellen unentdeckt in den deutschen Wirtschaftskreislauf.

Die 90-minütige WDR-Dokumentation “Dirty Money – Geldwäsche-Paradies Deutschland” zeigt schonungslos, warum Deutschland weltweit als einer der Hotspots für Geldwäsche gilt. Milliarden Euro aus Drogenhandel, Terrornetzwerken und organisierter Kriminalität gelangen unbemerkt in die deutsche Wirtschaft.

Bundeskriminalamt und linkBundesfinanzministerium bestätigten erst vor wenigen Tagen die dramatische Entwicklung: Die von organisierten Kriminellen gewaschene Geldsumme stieg von 166 Millionen Euro im Jahr 2023 auf 230,5 Millionen Euro im Jahr 2024 – ein Anstieg von fast 40 Prozent. BKA-Präsident Holger Münch bezeichnete die Dunkelziffer als “riesig”.

Bargeld als Einfallstor für Kriminalität

Die Dokumentation beleuchtet ein zentrales Problem: Deutschlands traditionelle Bindung an Bargeld. “Kulturell besteht der Deutsche sehr darauf, Bargeld zu benutzen”, erklärt Kriminologin Zora Hauser von der Universität Cambridge. Anders als in den Niederlanden oder Italien gibt es in Deutschland keine effektive Bargeldobergrenze und keine Beweislastumkehr bei verdächtigen Geldmengen.

Ein besonders eindrücklicher Fall zeigt die Dimensionen: Zwei Brüder täuschten einen kompletten Restaurantbetrieb vor, um über eine Million Euro jährlich zu waschen. Aufgeflogen sind sie nur durch eine aufmerksame Nachbarin, die meldete, dass das angebliche Restaurant nie Gäste hatte. Bei der Razzia fanden Ermittler 1,2 Millionen Euro Bargeld, Kokain in Gefriertruhen und Waffen im Keller.

Systemische Schwächen erschweren Ermittlungen

“Deutschland ist für die organisierte Kriminalität ein sehr guter Spielplatz”, stellt Hauser fest. Das Problem liegt in der mangelnden Überwachung bargeldintensiver Branchen wie Restaurants, Nagelstudios oder Spielhallen. Während Händler bei Transaktionen über 10.000 Euro die Herkunft des Geldes dokumentieren müssen, sind sie nicht verpflichtet, dies zu melden.

Die Financial Intelligence Unit (FIU) kämpft mit einem enormen Rückstau: 160.000 offene Verdachtsmeldungen, zwei Drittel davon älter als 90 Tage, belasten die unterbesetzte Behörde. Ab 2025 sollte eine neue Bundesbehörde für Finanzermittlungen diese Probleme lösen.

Die EU reagiert inzwischen mit schärferen Maßnahmen: Ab 2026 gilt eine einheitliche Bargeldobergrenze von 10.000 Euro, ab 3.000 Euro müssen Händler Käuferdaten erfassen. 

Kritiker bezweifeln allerdings, dass diese Regelungen geeignet sind, die Professionalisierung der mit hoher krimineller Energie agierenden Netzwerke aufhalten zu können.

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