Schon über 40 Autozulieferer-Großinsolvenzen – viele Unternehmen „am Schmerzpunkt“ titelte gestern
Wirtschaftswoche.
Schon seit längerem wird das Thema diskutiert, nun weisen die Sparpläne der großen Autozulieferer die nackten Zahlen dazu aus. Die Absatzkrise der großen Hersteller ist über die Lieferketten bei den Zulieferern angekommen. Lieferanten schaffen es aufgrund zurückgehender Bestellungen nicht mehr, ihre Kapazitäten auszulasten und bleiben auf ihren Investitionen und den hohen Vorlaufkosten für Forschung und Entwicklung sitzen.
Hinzu kommt: Viele Autobauer produzieren mittlerweile in den Märkten, in denen sie ihre Fahrzeuge auch verkaufen. Die Exportzahlen des Verbands der Automobilindustrie sprechen eine klare Sprache: In den letzte zehn Jahren gingen die deutschen Autoexporte um 26 Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum stieg die Produktion von VW, BMW und Co. im Ausland um 7,1 Prozent. Für viele heimische Zulieferer ein ernstes Problem.
Ganz aktuell kommen noch die branchenweiten Probleme mit den Billig-Chips hinzu, deren Lieferkette – zumindest temporär – unterbrochen ist. Ausgang offen. Wenn VW davon Schnupfen bekommt, leiden viele Zulieferer an lebensbedrohlicher Influenza.
Für manche inzwischen eine Existenzfrage. Man kann wohl davon ausgehen, dass bereits eine ganze Schar von Restrukturierungsfachleuten, Sanierungsberatern und Insolvenzverwaltern mit den Hufen scharrt und über Branchenverzeichnissen sitzt, bevor die Claims abgesteckt und die Aufträge vergeben sind.
Die Frage, die ich mir seit geraumer Zeit jedoch stelle ist, wie groß ist der Anteil der sanierungsfähigen und sanierungswürdigen Betriebe in der Branche wirklich? Ich habe mittelständische Unternehmen kennen gelernt, deren Produktion zu 40 Prozent an VW und zu 30 Prozent an Ford ging. Beide Kunden brechen jetzt oder mittelfristig komplett weg.
Wie soll dieser Ausfall kompensiert werden? Absatz in vergleichbarer Höhe wird kaum zu finden sein – schon gar nicht kurzfristig. Also wird an der Kostenschraube gedreht. Mitarbeiter sofort feuern, wie in Übersee, geht nicht. Kurzarbeit mag ein Pflaster sein, um Auftragsdellen zu überstehen, ein therapeutisches, sprich strategisch wirksames Instrument ist es nicht. In diesem und vergleichbaren Fällen erscheint die Insolvenz unvermeidlich.
Doch mit welchem Verfahrensweg? Sanierung durch Insolvenzplan? Welche Planziele will man den Gläubigern im gestaltenden Teil vorschlagen? Oder doch übertragende Sanierung? Aber welcher Investor wird in der jetzigen Situation einsteigen? Der Staat? Bitte nicht!
Schlimmer noch kommt es für Zulieferer, die Teile und Komponenten bauen, die nur in Verbrennern arbeiten. Wer heute Kurbelwellen oder Kupplungen herstellt, wird nicht morgen zu Leistungselektronik oder Ladesystemen switchen können.
Das beste Sanierungsverfahren nützt nichts, wenn es objektiv keine wirtschaftlich tragfähigen Lösungen gibt. Diese Unternehmen enden wohl zwangsläufig in der Abwicklung.
Viele Fragen. Auf befriedigende Antworten werden wir noch warten müssen.